So kannte man den Klingelmann.    Foto: Andreas Hansen

Nachruf auf Klingelmann Knudt Kloborg (1949-2023)

Die Insel Föhr verneigt sich vor ihrem letzten Original

Viele Tage lang stand die Insel still. Eine nie zuvor erlebte Betroffenheit hatte sich breit gemacht. Als die schmerzvolle Gewissheit da war, dass Föhr mit Klingelmann Knudt Kloborg ihren großen Sympathieträger für immer verloren hat, war es für viele Insulaner schwer, ihre gefühlte Trauer in Worte zu fassen. Fahnen wurden ehrenvoll auf Halbmast gesetzt, Kerzen als Symbol des Lichts und der Hoffnung angezündet, Blumen als letzten Gruß abgelegt. Ganz persönliche Erinnerungen an gemeinsam Erlebtes mit »Knudt ut de Middelstraat«, wie er sich gern selbst genannt hat, taten sich bei jedem der Trauernden individuell auf.
Für viele war Knudt Kloborg das Gesicht der Insel. Ob man sich eine Doku auf N3 anschaute oder beim Arzt in einer Frauenzeitschrift über Föhr las – die große, schlanke Figur des Klingelmanns mit dem stattlichen Bart durfte nie fehlen. Ob auf dem Fischmarkt, auf der Schifferbank am Sandwall oder beim Vortrag in der Hafenkneipe »Glaube Liebe Hoffnung«: Klingelmann Knudt nahm die Leute im Nu mit seiner unwiderstehlich norddeutsch lockeren Art ein. Lustig und informativ zugleich. Keine Werbeagentur hätte ein besserer Vermarkter der Insel sein können.
Wird Wyk jemals wieder einen Klingelmann haben und diese große Tradition fortsetzen? Wohl kaum jemand, der wie Kloborg tatsächlich die sieben Weltmeere bereist hat. Von 1964 bis 1967 ließ sich Knudt Kloborg in Flensburg im »Angler Hof« zum Koch ausbilden. Mit diesem Wissen ging es als Kochsmaat und Bäcker zur See. Auf der MS »Alsterblick« der Reederei Rob. M. Sloman, der MS »Stellenbosch« der Deutschen Afrika Linie und der MS »Transeuropa« der Reederei Poseidon ging es 1968 und 1969 hinaus in die Welt. Nach Brasilien, Spanien und New York. Gern erzählte er stets von seinen Äquatortaufen, welche er zweimal über sich ergehen lassen musste, da er sein Zertifikat vom ersten Mal nicht dabei hatte. Ab 1969 war er dann auf Schleppern als Koch unterwegs, bis er 1975 in Bergen in Norwegen ausstieg. Ein geplanter Heimaturlaub führte 1976 zur Hochzeit und Geburt des ersten Kindes.
Nachdem Kloborg sechs Jahre lang in der Klinik »Sonneneck« und bei »Klatts Gute Stuben« gekocht hatte, ging es 1982 wieder an Bord. Bei der W.D.R. arbeitete er als Decksmann, dann nach einer Fortbildung als Schiffsmechaniker und natürlich als Koch (MS »Klaar Kiming«, MS »Insel Amrum«, MS »Nordfriesland«). »Bocuse« nannte man ihn damals – nach dem französischen Drei-Sterne-Koch. 2007 ging es in den Ruhestand. Doch ruhig wurde es nie. Entweder es ging auf Dieter Denkers Fischkutter auf Seetierfang, auf das Küstenmotorschiff von Martin Kreetz oder er verkaufte auf Jahrmärkten für »Hansi Eis« Punsch. Unvergesslich sind die regelmäßigen Sparclubreisen und unzählige Auftritte als Weihnachtsmann.
Einmal beim Besuch des HSV-Fans an einem Novemberabend im Volksparkstadion kamen die Fans von Celtic Glasgow freudig auf ihn zu und riefen: »Santa, bring us snow«. Und dann kam der Tag im Mai 2009, als sich Knudt Kloborg auf der 30. Flensburger Rum-Regatta neu erfand …
Beim Schlendern mit einem Kumpel entlang des Flensburger Hafens entdeckte Kloborg eine Messingklingel, die er für 20 Euro Euro erstand. »Was willst Du denn damit?« fragte sein Freund. »Wart’s ab«, entgegnete er und ging zielstrebig zur »Dagmar Aaen«, dem legendären Expeditionsschiff von Arved Fuchs. Hier lachte sich Knudt eins ins Fäustchen, fing an zu klingeln und lud die Schar der herbeigeeilten Schaulustigen zu einer Ausfahrt um 18 Uhr mit dem berühmten Polarforscher für nur 5 Euro ein. Der Schiffseigner bekam dies unter Deck mit, eilte heraus und fragte, was dieser für einen Quatsch erzählen würde. Doch böse konnte er ihm nicht sein, denn er pflichtete Knudt schnell bei, dass er großes Talent für Derartiges hätte. Dies war der Moment, in dem Knudt Kloborg beschloss, Wyks neuer Klingelmann zu werden. Dieser sehr alten Wyker Tradition vom Herbeirufen der Bürger für interessante Bekanntmachungen.
Nachdem sich Kloborg in Wyk eine Uniform, eine passende Mütze und auch eine entsprechende Genehmigung des Amtes besorgt hatte, konnte es losgehen. Doch beschränkte der neue Klingelmann seinen Job nicht nur auf das Ankündigen vom Laternelaufen, dem Bücherflohmarkt oder dem frisch gefangenen Fisch – er teilte auf amüsante Art bereitwillig seine auf See gesammelten Erfahrungen mit. Wie er als junger Mann das Gebiss eines Matrosen aus einer Hamburger Spelunke auslösen musste. Wie er dem Opernsänger René Kollo vor Amrum unter Deck das Krabbenpulen beigebracht hat. Wie er einmal mit einem Kollegen aber ohne Kapitän von Helgoland nach Hamburg schipperte und prompt von der Wasserschutzpolizei gestoppt wurde. Stets mit dabei: Die Spendendose für die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger. Rund 2.500 Euro an Spenden sammelte er jedes Jahr.
Nun ist der wohl bekannteste Föhrer von uns gegangen. Wie auch »WIR Insulaner«, verneigt sich die Insel vor ihrem letzten Original. Er war unser Aushängeschild. Er war unser Freund. Wäre es nicht schön, wenn ein Ort wie der Platz am Gezeitenbrunnen – am Fuße seiner »Middelstraat« – einmal nach ihm benannt werden würde?