Marie-Agnes Strack-Zimmermann im Sitzungssaal des Amtes Föhr-Amrum    Foto: Andreas Hansen

Exklusiv-Interview fernab der Politik:

Sind Sie eine gute Freundin, Frau Strack-Zimmermann?

Im Rahmen Ihres Europa-Wahlkampfs besuchte die liberale Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die seit 2017 für die FDP im Bundestag sitzt, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses ist, sich vehement für die Waffenlieferungen an die Ukraine einsetzt und jetzt für Europa kandidiert, auch Wyk auf Föhr. Andreas Hansen von »WIR Insulaner« führte ein exklusives Interview mit ihr und interessierte sich vor allem für die private Seite der Bundestagsabgeordneten – fernab der Politik.

WIR: Herzlich Willkommen auf Föhr, liebe Frau Strack-Zimmermann. Sind Sie das erste Mal auf unserer Nordseeinsel?

S-Z.: Ja, ich bin zum ersten Mal auf der Insel.

WIR: Könnten Sie sich vorstellen, hier einmal Urlaub zu machen?

S-Z: Ja, das könnte ich – ohne Weiteres.

WIR: Ich muss Sie aber warnen. Hier fahren die Urlauber Fahrrad – und nicht Motorrad. Ich weiß, Sie fahren eine 1200er BMW und lieben Motorradtouren.

S-Z (lacht): Ja, ja. Das könnte ich mir durchaus vorstellen, ein paar Tage hierher zu kommen, wenn es die Zeit wieder zulässt. Dann muss man die richtige Kleidung mitbringen. Und Sie haben schöne Hotels hier, habe ich mir sagen lassen.

WIR: Sie sind jedoch gerade eine der bekanntesten Frauen Deutschlands. Da hat es im Ausland bestimmt eher seine Vorteile, oder?

S-Z: Es hat hier sicher seine Nachteile. Weil Sie natürlich nicht mehr wirklich privat sind. Jeder hat ein Handy, fotografiert mal eben aus der Hüfte raus. Was anderes ist es, wenn Leute kommen: Lass uns mal eben ein Foto machen. Das ist ja eine nette Geste. Aber wenn ich vor die Tür trete, bin ich deutlich kontrollierter. Nicht dass mein Leben unkontrolliert war, aber ich würde in Großstädten nie über eine rote Ampel gehen. Das habe ich mir schon früh abgewöhnt, wenn Kinder dort stehen, aber Sie wissen, was ich meine. Man wird eben doch beobachtet. Wenn ich einkaufe, gucken die Leute, was ich im Einkaufswagen habe. Es gibt nichts, was es nicht gibt. Insofern ist das der Nachteil. Aber ich bin nun in die Politik gegangen. Ich möchte natürlich etwas bewirken. An meiner Wiege hat man mir natürlich nicht gesungen, dass ich mal im Bundestag sein werde, dass ich in solch einem Ausschuss wieder aufwache, dass zeitgleich ein brutaler Krieg ausgelöst wird. Das sind ja alles so Momente, die zusammenkommen. Ich mache es aber gerne. Bin gern mit Menschen zusammen.

WIR: Und jetzt auch noch Europa. Bleibt da überhaupt noch Zeit, Freundschaften zu pflegen? Sind Sie eine gute Freundin?

S-Z: Ja, ich bin eine gute Freundin per WhatsApp. Ich habe einen großen Freundeskreis und den pflege ich auch. Teile mit, wo ich bin und frage, wie es allen geht. Aber ich bin für Familie und Freunde wenig greifbar. Das liegt jetzt einfach am Wahlkampf, das wird sich auch wieder ändern. Ich habe einen Mann, der das mega toll mitträgt. Meine wirklich engen Freunde auch. Die wissen das. Es werden ja auch wieder andere Zeiten kommen. Auch meine Kinder haben da Verständnis, wobei die alle erwachsen sind, also ihre Mutter jetzt auch nicht mehr ununterbrochen brauchen.

WIR: Statt Rednergeschenke wie Pralinen und Blumen bitten Sie auf Ihrer Wahlkampftour um Spenden für den Ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst in Düsseldorf, dessen Schirmherrin Sie sind. Sie haben das Image einer starken Frau. Aber ich kann mir vorstellen, dass das dort Erlebte ziemlich nah an einen herangeht. Wie gehen Sie damit um?

S-Z: Ich habe drei Kinder. Ich habe die ersten Enkelkinder. Und ich war ja sechs Jahre Bürgermeisterin in Düsseldorf und in vielen Vereinen aktiv. Auch vor 15 Jahren als Bürgermeisterin beim Kinder- und Jugendhospizdienst. Das hat mich natürlich beschäftigt. Wenn Kinder mit Leben verkürzenden Erkrankungen auf die Welt kommen. Die extrem belasteten Familien, die vielen Beziehungsprobleme. Und das ist eben ambulant. Das heißt, die gehen mit vielen Ehrenamtlichen in die Familien und kümmern sich, dass die Kinder in ihrem Umfeld bleiben können. Bis zum letzten Tag. Ich bin dann vor sechs bis sieben Jahren gefragt worden, ob ich Schirmherrin werde. Mein Vorgänger, der das Jahre lang gemacht hat, ist sehr alt geworden. Und dann habe ich das übernommen. Ich versuche immer, das eine mit dem anderen zu verbinden.

WIR: Die Begleitung schwerkranker und sterbender Menschen ist schon immer eine genuine Aufgabe von Christen und Kirche gewesen. Sie sind gläubige Katholikin. Die Kirche hat in den letzten Jahren viel an Strahlkraft verloren. Wie sehr schmerzen Sie die negativen Berichte in der Presse und die Vielzahl der Kirchenaustritte?

S-Z: Von meiner eigenen Kindheit und Jugend einmal ganz zu schweigen, schmerzt mich nicht die Folge, sondern das eigentliche Unvermögen der Kirche, mit Schwierigkeiten und Problemen umzugehen. Zu artikulieren, einzuräumen: Das, was gelaufen ist, ist unerträglich. Wir klären das auf. Das schmerzt mich mehr. Denn die Folge davon – gerade bei jungen Menschen, die sich dann auch entfremdet fühlen – ist, dass die Kirche nicht in der Lage ist, diese Situation anzunehmen. Das finde ich eigentlich viel schlimmer. Und dadurch entsteht ja der Vertrauensverlust. Denn wenn sich heute nicht der Pfarrer – weniger der lokale Pfarrer als der Bischof – hinstellt und sagt: »So, wir sind aktiv.« – dann wird’s schwierig. Dann wird die Kirche verlieren und spielt dann auch nicht mehr die Rolle, die sie ja zentral gespielt hat. Wie Sie gerade sagten: In Krankheit, im Alter, in Einsamkeit. Ich bedaure das sehr, weil ich glaube, da ist eine große Chance vertan worden. Übrigens gerade wenn Menschen alt sind, ist es wichtig, dass die Kirche da ist, ist es wichtig in den Gottesdienst gehen zu können, auch mal für sich zu sein, auch mal Kraft zu sammeln. Das ist sehr bedauerlich, dass das eigentlich von innen heraus ruiniert worden ist.

WIR: Zum Abschluss noch etwas weniger Ernstes: Als Düsseldorferin sind Sie großer Karnevalsfan. Hier auf der Insel ist es anders. Hierher kommen Rheinländer in der Karnevalszeit, um vor dem Karneval zu flüchten.

S-Z (lacht): Das darf man auch. Ich sage immer: Entweder man feiert mit, oder man verschwindet. In Düsseldorf zu sein – ich lebe in der Innenstadt – und sozusagen nicht mitzumachen, sondern sich zurückzuziehen, das geht nicht. Also entweder bin ich da und dann feiere ich mit oder ich fahre Ski und kriege es gar nicht mit.

WIR: Haben Sie zum Abschluss noch einen Lieblingswitz für uns?

S-Z: Einen Lieblingswitz? (lacht) Nein, das lassen wir mal lieber. Die wären auch nicht ganz stubenrein.

WIR: Vielen Dank für das Gespräch.