Die aufwendig restaurierte »Villa Ludwig« im Kurpark    Fotos: Andreas Hansen

»Soft Launch« bis zur offiziellen Eröffnung im September oder Oktober:

Neue Dauerausstellung in der »Villa Ludwig«

Reichlich sonderbar müssen diese Neuankömmlinge am Südstrand der Wyker Bevölkerung vorgekommen sein. Ja, es war eine eigene Welt, in der die Gäste im dortigen Nordseesanatorium lebten. Im Jahr 1899 von dem aus Tübingen stammenden Arzt Dr. Karl Gmelin (1863-1941) gegründet, stand in der Heilanstalt ein naturnaher, gesunder Lebensstil im Geiste einer generellen Lebensreform im Vordergrund. Absolutes Rauchverbot, nachhaltig vegetarische Ernährung, dazu Gymnastik sowie verschriebene Luftbäder in denkbar knapper Bekleidung.

Ganzheitlich verstand Dr. Gmelin seine Lebensreformphilosophie. Ein besseres Leben durch Umsetzung der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse führen. Das Immunsystem stärken, Krankheiten wie Tuberkulose, Dermatosen und HNO-Beschwerden durch körperliche Ertüchtigung, aber auch Liegetherapie, Reformpädagogik und Kunst bekämpfen. Mehlspeise statt Suppe, Limonade statt Kaffee, dazu viel Milch und Früchte. Von Beginn an werden Wetter- und Klimamessungen vorgenommen. All das wird sofort gut angenommen, sodass schon nach der ersten Saison die Villen »Conrad«, »Ludwig« und »Einsiedel« als Unterkunft und für den Unterricht erbaut werden müssen. Obergärtner Wilhelm Bülow beginnt mit dem Anlegen des Kurparks sowie einem Nutzgarten für Obst und Gemüse. Weitere Villen und Außenanlagen für Sport und den Kurbetrieb folgen. Viele der Kurgäste bleiben viele Wochen oder sogar Monate. Kinder wohnen gemeinsam mit Lehrern und Erziehern in einem Haus.
Bereits im Jahr 1904 erfährt die Idylle des Dr. Karl Gmelin einen herben Schlag, als Ehefrau Alice bei der Geburt des vierten Kindes stirbt. In den Jahren darauf folgen große finanzielle Schwierigkeiten. Das Sanatorium wird in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Schwager Charley Mensendieck übernimmt die Aktienmehrheit und damit die Geschäfte. Ab 1926 wird auch Golf gespielt, eines der ersten Jugendsportzentren Deutschlands entsteht. Zudem wird die Anlage zu einer bioklimatischen Forschungsstelle ausgeweitet.

All dies ist lange her, doch kann jetzt der Nordsee-Kurpark e.V. mit der Installation einer neuen Dauerausstellung über den Kurpark und das ehemalige Nordsee-Sanatorium in der »Villa Ludwig« Interessierten eine Art Zeitreise anbieten. Fünf Jahre lang hat die Sanierung der Villa, eine von insgesamt sieben noch erhaltenen, denkmalgeschützten Holzvillen im Kurpark, gedauert. Erst kürzlich wurden vor der Villa von Nachfahren Gmelins niedrig heranwachsende Bodendecker gepflanzt. Bäume und Sträucher werden im Herbst folgen. Die Stadt Wyk spendete sieben Kubikmeter Humus und der Verein selbst bezahlte die Bewässerungsanlage. Mit 57.000 Euro wurde ein Großteil der Projektkosten für Ausstellung und Infotafeln im Park von der Bingo-Umweltstiftung übernommen.

So bietet die »Villa Ludwig« ab sofort ein eindrucksvolles Zuhause für historische Fotos, frühere Klima-Messgeräte sowie auf einer Vielzahl kleiner Bildschirme kurze Videos und Audiodateien für tiefer gehende Informationen. Bevor die für September oder Oktober geplante offizielle Eröffnung durchgeführt wird, bietet der Nordsee-Kurpark jetzt einen sogenannten »Soft Launch« an, indem Interessierte bereits jetzt nachmittags zwischen 14 und 17 Uhr die Ausstellung mit kleinem Shop besuchen können. Der Eintritt beträgt 2,50 Euro, Kinder sind frei.