Erschien an der EFS ganz in schwarz mit High Heels: Dragqueen Veuve Noire Foto: Andreas Hansen
»Auf welches Klo gehst Du?« Die versammelten Schülerinnen und Schüler der Jahrgänge 9 bis 12 durften der Dragqueen »Veuve Noire« (auf Deutsch schwarze Witwe) alle Fragen stellen, die ihnen in den Sinn kamen. Die offizielle Botschafterin der Olivia-Jones-Familie gab bereitwillig Antwort – und erzählte eindrucksvoll von ihren Erlebnissen als heterosexuelle Frau im Körper eines schwulen Mannes. Im Zweifel könne man die Person einfach fragen, ob man das Pronomen sie oder er verwenden solle, sagte »Veuve«. Ihr selbst sei beides recht. Und sie würde auf das Klo gehen, das gerade frei wäre. Bei den Mädels wäre es meist entspannter. Überhaupt sei sie für genderfreie Toiletten.
Das Aushängeschild der Initiative »Olivia macht Schule« besuchte die Eilun Feer Skuul (EFS), um für Respekt, Vielfalt und Toleranz zu werben. Ganz in Schwarz gekleidet, stark geschminkt, mit Tattoos, hohen Absätzen, auffälligen Ohrringen und einer schwarzgoldenen Halskette betrat die 40-jährige Dragqueen (früher sagte man Transvestit) die Bühne des vollbesetzten Forums der Schule. Von der evangelischen Kirche organisiert, berichtete »Veuve Noire« von der Diskriminierung queerer Menschen in Schulen und Vereinen sowie bei der Arbeit. Obwohl die Vielfalt in Deutschland – im Gegensatz zu anderen Ländern – gesetzlich geregelt sei, würde immer noch viel Hass im Internet verbreitet werden. Dieser Hass wäre anerzogen. Durch Schule, Eltern, Vereine, Medien, Religion. Vielerorts würden Menschen verprügelt, diskriminiert, in den Selbstmord getrieben. Bei ihr selbst sei es nicht anders gewesen.
Als Henrik Schmidt in Mecklenburg-Vorpommern aufgewachsen, war früh klar, dass sie sensibler ist als andere. Sie fing an, sich zu schminken, wurde von eigenen Freunden angefeindet, ihr biologischer Vater wandte sich von ihr ab, sie lernte um ihr Leben zu laufen, schwerste Depressionen folgten, ein Selbstmordversuch wurde wie durch ein Wunder abgewendet. Doch nach diesem Tiefpunkt stieg sie wie Phoenix aus der Asche auf, wie sie sagte. Wurde noch schöner und stärker. Es verschlug sie schließlich nach Hamburg, wo sie in die Olivia-Jones-Familie aufgenommen wurde. Ein neues Leben begann.
Heute würde ihr Motto heißen: »Einfach ist dämlich. Vielfalt natürlich!« Dies solle nicht heißen, dass alle jetzt homosexuell werden sollten. Es gäbe so viele Unterschiede auf der Welt: Der Glaube, die Figur, die Nationalität, die Frisur. Bei über 1.500 Tierarten wie etwa Delfinen, Giraffen und Pinguinen würde es gleichgeschlechtliche Liebe geben. Beim Menschen sei dies seit 2000 v. Chr. dokumentiert. Homophobe Menschen hätten oft selbst ein Problem mit Sexualität, hätten nicht selten selbst diese Neigung, so die Dragqueen. Doch zum Glück sei die heutige Generation toleranter.
»Eine ertragreiche, nachdenkliche Veranstaltung, die uns alle weiterbringt«, nannte Schulleiter Ingo Langhans die erfolgreiche Aufklärungsarbeit. Im Anschluss an den Vortrag nutzten die Schülerinnen und Schüler die Gelegenheit, jede Menge Fragen zu stellen. »Wie hält man es so lange in den Schuhen aus?« »Was machst Du in der Freizeit?«, »Gehst Du auch mal ungeschminkt raus?«, »Was bedeuten die Tattoos?«, »Wie reagieren Kinder im Supermarkt?«.
Es folgte ein »Meet & Greet« und sogar die Möglichkeit, bei näherem Interesse einen schulinternen Workshop zu besuchen. So geht Schule heute.