Lässt den Leser spannende Zeiten miterleben: Kapitän Martin Kreetz. Foto: Andreas Hansen
Erinnerungen angereichert mit einem gewissen Augenzwinkern:
Wenn es um Erlebnisse mit und auf den Schiffen der Wyker Dampfschiffs-Reederei (W.D.R.) geht, können sicherlich viele Insulaner spannende und vielleicht auch amüsante Geschichten beisteuern. Bereits mit seinem ersten Buch »Der letzte Wyker Moses« aus dem Jahr 2019, hat Martin Kreetz bewiesen, dass er ein besonderes Talent hat, seine persönlichen Erlebnisse auf hoher See interessant und mit einer Prise trockenem Humor dem Leser mitzuteilen. Nun ist mit »Der Inselkapitän« ein zweites Buch des Föhrer Kapitäns erschien, die seine Arbeit nicht bei, sondern für die Reederei beschreibt, wie er ausdrücklich betont.
Den Schiffen beim Anlegen und Entladen an der Alten Mole hat Martin Kreetz als Kind schon immer gern zugesehen, wenn er seine Wyker Verwandten besuchte. Aufgewachsen in Utersum als Sohn eines Arztes der dortigen Kurklinik, besuchte er nach Ende der Schulzeit die Schiffsjungenschule in Hamburg-Finkenwerder. Auf den Frachtschiffen der Hapag ging Kreetz auf große Fahrt, bestand später an der Seefahrtschule Bremen sein Kapitänsexamen. Weltweit gefiel es ihm in der Karibik am besten. Dorthin wollte er spätestens im Winter auch wieder zurück, als er 1978 für einen Sommer bei der W.D.R. als Steuermann anmusterte. Doch aus dem zunächst befristeten Vertrag wurden schließlich mehr als 38 Jahre. In seinem Buch öffnet der Autor seinen reichen Fundus an Reminiszenzen, gespickt mit 250 Namen. Da ist der Winter 1978/79. Aufgrund der verschärften Eislage mit im dicken Eispanzer unkenntlich liegenden Seezeichen, darf nur noch bei Tageslicht gefahren werden. Bei einer Überprüfung nach Leckstellen heißt es plötzlich: »Halbe Füllung Salzwasser!«. Schnell wird die Lenzpumpe angeschmissen und W.D.R.-Chef Conrad Zorn informiert, der umgehend im Overall erscheint. Ein Riss in der Außenwand wird festgestellt, durch den munter Wasser einläuft. Kreetz schildert wie es mit einer Sperrholzplatte, zwei paralellaufenden Kanthölzern und einem schweren Stück Schweineschwarte gelingt, das Leck zu schließen. Und zwar so gut, dass das Schiff nicht nur in Fahrt gehalten werden kann, sondern die Konstruktion bis zur nächsten Werftzeit mehrere Monate später hält.
Im Frühjahr 1981 kommt ein Maschinist ins Ruderhaus und klagt über Schmerzen im linken Unterarm, besonders beim Greifen und Bewegen der Hand. Familiär durchaus vorgebildet, muss Kreetz als Schiffsarzt einspringen, hört per Stethoskop die Innenseite des Armes ab und stellt deutliche Schab- und Kratzgeräusche fest. Seine Diagnose: Sehnenscheidenentzündung. Arbeitsunfähig! Der Maschinist ist auf einmal hellwach und sagt: »Hör mol to, ick bün güstern erst komen, ik weer twee Wochen to Hus, kannst du nich wat moken, dat ik an Bord blieben kann?« Eine mit Putzlappen ausgepolsterte Armschiene wird gefertigt. Der Maschinist bleibt an Bord. Alle sind glücklich.
So in etwa wechseln sich Witz und Hintergrundwissen in den Anekdoten ab. Der Verkauf von 40 Prozent der Reederei-Anteile der Stadt Wyk im Jahr 2001 ist Thema, der Warnstreik von 2003, Betriebs- und Weihnachtsfeste werden unterhaltsam erinnert und auch ein Aprilscherz.
Das mit vielen Fotos gespickte 367-seitige Buch, das von der Ferring Stiftung herausgegeben wurde und dessen Druckkosten die Friede Springer-Stiftung übernommen hat, ist ein wundervolle Quelle einer von Kameradschaft geprägten Zeit.
Das Buch »Der Inselkapitän« ist im »Husum Verlag« erschienen und kostet 29,80 Euro.