Während Lisa als Friesin aufgenommen wird (Foto oben), erleidet ihr Vater auf der Insel Schiffbruch

In »My Feer Lady« hat Theaterregisseur und Autor Nicolas Dabelstein eine eigene Version des berühmten Musicalfilms »My Fair Lady« für die Bühne des Süderender Hoftheaters Föhr geschrieben. Der Film mit Rex Harrison und Audrey Hepburn, der 1965 acht Oscars gewann, basierte damals auf das Stück »Pygmalion« von George Bernard Shaw. Wie bereits in den vier vorangegangenen Produktionen sorgt Theatermacher Dabelstein erneut mit einer Kombination aus einfachen Mitteln und der Kraft der Schauspielerei für eine beeindruckende Darbietung. Der Mix aus Berufsschauspielern und friesischen Laienschauspielern macht dabei den besonderen Reiz aus.
Im Stück »My Feer Lady« taucht der österreichische Immobilienspekulant Karl Krenko (eine Ähnlichkeit mit René Benko ist nicht ungewollt) nach einer U-Haft auf Föhr unter. Während er bei den »Indianern und Strandräubern« alles einfach und reizlos findet, fängt seine Tochter Lisa Krenko langsam an, die Ursprünglichkeit und Einzigartigkeit des Insellebens zu erkennen. Doch ohne Friesisch kein Job und kein Eintauchen in die Gesellschaft. Als sie sich entschließt, ein unabhängiges, ehrliches Leben auf Föhr zu führen, bittet sie frei nach dem Motto »Fries oder stirb« den Föhrer Professor für Frisistik Hark Hinrichs, ihr die friesische Sprache beizubringen. Als dessen Haushälterin, die Lisa gern scheitern sehen möchte, ihm eine Wette anbietet, ändert der Professor seine anfänglich ablehnende Haltung und unterrichtet die Österreicherin mit dem Ziel, dass sie auf dem traditionellen »Fering Inj« als Einheimische durchgeht. Der Weg dahin ist kein einfacher. Während ihr Vater in Süderende eine Beauty-
Klinik samt South End-Tower und Strohhauberl bauen will, muss die Tochter erst einmal lernen, dass man Friesen nicht die Hand gibt und schon gar nicht umarmt. Kurzzeitig erwachen beim Professor lustige Liebesgefühle – ganz wie einst bei Pygmalion, der sich in der griechischen Mythologie in seine von ihm geschaffene Statue verliebte. Am Ende gelingt der Coup tatsächlich: Lisa wird auf dem Tanzfest umringt von fliegenden Schürzen zur Friesin, doch Vater Krenko muss »zu neuen Ufern« nach Sylt aufbrechen.
Das Publikum in der 65 Personen fassenden Scheune ist von der ersten bis zur letzten Minute gefesselt. Der Titel und auch die erlangte Reputation des Theaters haben dazu geführt, dass bereits 80 Prozent der Tickets der auf 14 Vorstellungen angesetzten Produktion vergriffen sind. Dabelsteins kurzweilige Adaption des klassischen Bühnenstücks sorgt für viele Lacher, beeindruckt durchgängig aber auch durch Tiefgang. So wie das Original einst Kritik an der englischen Klassengesellschaft ausübte, so zeigt »My Feer Lady« auf, dass es nicht Entfremdung und Materialismus sind, die es verdienen, angebetet zu werden, sondern die tieferliegenden Werte. Diese sind es, die das Gemeinschaftsgefühl definieren. Anerkennung und Selbstverwirklichung sind alles, was ein Friese an Identität braucht. Es sind diese Jahrhunderte alten Energien der Ur-Friesen, die noch immer in uns schlummern sowie die gemeinschaftlich gelebte Kultur, die das Leben auf der Insel so attraktiv macht. Oder wie Professor Hinrichs sagt: »Unsere Gesetze sind Ebbe und Flut. Unsere Demut reicht so weit wie die See.«

Die beiden Profi-Schauspieler Thomas Lackner und Anna Mariani überzeugen mit ihrem Wiener beziehungsweise Tiroler Dialekt, ihren eindrucksvoll dargestellten Emotionen und ihren geschulten Singstimmen. Die aus der Feder der Niebüller Singer-Songwriterin Synje Norland stammenden eingängigen Lieder (»Was kümmern mich Prestige und Geld – das hier ist meine Welt«) treffen ins Herz. Was jedoch den besonderen Charme der Produktion ausmacht, ist die Teilhabe der Laien-Schauspieler. Bereits Joseph Beuys sagte: »Jeder Mensch ist ein Künstler«. Es ist das unverbrauchte, unverstellte Talent, das in den vier Föhrer Laien-Darstellern schlummert, welches die Darbietung umso sympathischer macht. Tragen wir nicht alle verborgene Seiten in uns? Das Stück inspiriert, diese Seiten zu suchen.

Was das Stück ebenfalls bewirkt: Es macht auch neugierig auf das Fering. Es zeigt, wie einzelne Wörter in verschiedenen Gemeinden unterschiedlich ausgesprochen werden. Es fördert das Interesse an der hiesigen Kultur. Man darf gespannt sein, was für regionale Themen als Nächstes anstehen. Der Geschichtenschatz der Insel gibt zweifellos noch manches her. Sicher ist jedoch: Das Hoftheater Föhr hat sich spätestens mit »My Feer Lady« zu einer neuen Institution auf der Insel katapultiert.
Die nächsten Aufführungen sind am 9., 10., 13. und 14. August sowie am 21., 22., 24., 26. Und 27.August, jeweils um 19.30 Uhr. Tickets sind unter www.hoftheater-foehr.de erhältlich.
Gastbeitrag: Andreas Hansen